Kann Funktechnik die Arbeitssicherheit bei der Waldarbeit verbessern?
Von Manfred Happold, Ulrich Hoffmann und Klaus Ulrich, Stuttgart
Die Landesforstverwaltung Baden-Württemberg sowie die Badische und die Württembergische Unfallkasse als zuständige Unfallversicherungsträger erprobten in einem Feldversuch die Möglichkeit der Absicherung von Waldarbeitergruppen mit Notrufmeldern. Nachfolgend sind die Erfahrungen, die sich aus diesem Pilot-projekt ergaben, zusammengefasst.
Naturnahe Waldwirtschaft und Arbeitssicherheit
Naturnahe Waldbewirtschaftung mit der verstärkten Anwendung von Naturverjüngungsverfahren und einer wesentlichen Verlängerung der Verjüngungszeiträume führt für die Beschäftigten zunehmend zu Einschränkungen der Sichtverbindung und zu Erschwernissen bezüglich der Koordination von Arbeiten innerhalb der Hiebsfläche. Leider ist zu erwarten, dass die Zahl der Unfälle, bei denen der Verletzte erst nach einer längeren Zeitspanne aufgefunden wird, weiter zunimmt.
Durch die Unfallverhütungsvorschrift "Forsten" (GUV-V C 51, BLB 4.3) werden die forstlichen Arbeitgeber dazu verpflichtet, dass Arbeiten mit der Motorsäge ohne ständige Ruf-, Sicht- oder sonstige Verbindung mit einer anderen Person, die in der Lage ist, in Notfällen erste Hilfe zu leisten, nicht durchgeführt werden dürfen.
Darüber hinaus wird infolge einzelstammweiser Nutzung der hängengebliebene Baum auch bei guter fachlicher Ausführung der Fällung mehr zum Regelfall als zur Ausnahme. Zumindest hier ist die Unterstützung des Arbeitskollegen oder des Maschinenführers beim Herunterdrehen bzw. Abziehen des Baumes schon aus ergonomischen Gründen unerlässlich. Unter diesen Gesichtspunkten wird der Bedarf an einer Verständigungsmöglichkeit innerhalb der Waldarbeitergruppe als immer dringlicher angesehen.
Welche Anforderungen sind an ein Notrufmeldesystem für die Waldarbeit zu stellen?
Da bisher keine oder nur unzureichende Erfahrungen über die Tauglichkeit von in der Industrie verwendeten Notrufmeldesystemen, sogenannten Personennotsignal-Anlagen, beim Einsatz in der Waldarbeit vorlagen, erstellte eine Arbeitsgruppe, in der das Ministerium Ländlicher Raum Baden-Württemberg sowie die Badische und Württembergische Unfallkasse vertreten waren, ein Anforderungsprofil für ein derartiges Notrufmeldesystem. Dabei wurden vorrangig die Aspekte der motormanuellen Holzernte als gefährlichster und zeitintensivster Arbeitsbereich der Waldarbeit berücksichtigt. Als Rahmenbedingung war bei jeder Waldarbeitergruppe das Vorhandensein eines Funktelefons oder die Anbindung an die Funkwelle Forst vorausgesetzt, um die Weiterleitung eines Notrufes nach außen zu gewährleisten.
Auf Grund dieser Anforderungen wurden durch die Hersteller bzw. Vertreiber zahlreiche Lösungsvorschläge vorgelegt, die sich in zwei Typen von Notrufsystemen untergliedern lassen:
Beide Systeme verfügen über die Möglichkeit die Notruffunktion aktiv durch Knopfdruck oder passiv über einen integrierten Lagemelder zu aktivieren. Dem eigentlichen Notruf ist ein Voralarm vorgeschaltet, der im Falle einer unbeabsichtigten Auslösung dem Waldarbeiter die Möglichkeit bietet, eine Rückstellung der Funktion vorzunehmen.
Beim Gerätetyp A ist neben den tragbaren Notrufsendern/-empfängern, die jeder Waldarbeiter mit sich führt, eine Relaisstation als Empfangszentrale notwendig, über die auch die Reichweitenüberwachung gewährleistet wird.
Beim Gerätetyp B ist jeder Waldarbeiter mit einem Sprechfunkgerät ausgestattet, eine Reichweitenüberwachung ist nicht möglich. In beiden Fällen wird auf Kabelverbindungen zum Gehörschutz oder externem Mikrofon verzichtet.
Feldversuch
Für den Feldversuch wurden jeweils Geräte des Typs A (DeTeWe) und des Typs B (Motorola) beschafft. Der Versuch mit dem Typ B erfolgte auf der Funkwelle Forst (4-Meter-Band, 69,95 Mhz.).
Ziel des Versuches war es, folgende Fragen zu klären:
Zur Erprobung der Geräte wurden Waldarbeiter in den Forstbezirken Kirchzarten und Gschwend ausgestattet. Die Forstbezirke liegen im Südschwarzwald bzw. im Schwäbisch-Fränkischen-Wald und sind aufgrund ihrer Topographie funktechnisch schwer ausleuchtbar. Damit waren gute Aussagen über die Leistungsfähigkeit der einzelnen Systeme zu erwarten. Im Herbst 1998 wurden zu Beginn der Holzerntearbeiten zwei Waldarbeitergruppen jeden Forstbezirkes mit einem System ausgestattet. Anfang 1999 erfolgte ein Tausch der Systeme zwischen den einzelnen Forstämtern. Somit hatte jede der vier Waldarbeitergruppen die Möglichkeit beide Gerätetypen über einen längeren Zeitraum zu testen und zu vergleichen.
Ergebnisse:
Zusammenfassung und Ausblick:
Die Frage, ob Funktechnik die Arbeitssicherheit bei der Waldarbeit verbessern kann, muss von allen am Feldversuch Beteiligten mit einem eindeutigen Ja beantwortet werden. Die äußerst positiv beurteilte Möglichkeit der Sprechverbindung macht eine grundlegende Änderung des Anforderungsprofils notwendig: Funktechnik muss auf jeden Fall auch Sprechfunk bedeuten.
Die Nachteile des Sprechfunkgerätes in Bezug auf Reichweitenüberwachung und Ortung des Verletzten werden durch die erheblichen Vorteile der verbalen Kommunikation für die Unfallverhütung zumindest auf-gewogen. Jedoch darf der Aspekt "Alarmierung der Kollegen" nicht aus den Augen verloren werden, gerade weil naturnahe Waldbewirtschaftung immer mehr die Gefahr in sich birgt, dass Kollegen sich in unüber-sichtlichen Beständen aus den Augen verlieren. Aus diesem Grund muss die Möglichkeit des aktiven und passiven Notrufes zwingender Bestandteil eines Systems zur funktechnischen Absicherung einer Waldar-beitergruppe sein. Dabei spielt auch das von den beteiligten Waldarbeitern geäußerte "größere Sicherheitsgefühl" eine wesentliche Rolle. Als Endprodukt ist ein Kommunikations- und Notrufgerät für die Waldarbeit (KuNo ®) zu fordern.
Weiterentwicklungen, die v. a. die Größe und das Gewicht der Geräte betreffen, lassen noch Verbesse-rungen im Hinblick auf den Tragekomfort erwarten. Im Hinblick auf die Wahrnehmbarkeit des Alarmtones kann eine bessere Abstimmung der Tonfrequenz auf den Motorsägenlärm sowie die Verlängerung der Alarmierungsdauer weitere Fortschritte bringen. Eine drahtlose Verbindung zu den Gehörschutzkapseln wäre wünschenswert. Preislich müssten solche System unter 500,- € je Gerät liegen um eine breite Ver-wendung zu finden. Ein Problem ergibt sich bei der Wahl der Funkfrequenzen. Frequenzen zur exklusiven Nutzung im 2-Meter- oder 70-cm-Band (Betriebsfunk) sind kaum zu bekommen. Verschärfend kommt hinzu, dass moderne Geräte für das 4-Meter-Band (Funkwelle Forst) so gut wie nicht angeboten werden. Sofern eines der beiden Betriebsfunkbänder genutzt werden soll, bleiben nur Gemeinschaftsfrequenzen.
Eine Alternative könnten preisgünstige LPD- oder Freenet-Geräte sein, sofern sie mit Lagesensoren ausgestattet sind. Solche Geräte werden jedoch im Augenblick nicht angeboten. Inwieweit generell solche Geräte den Anforderungen des Forstbetriebs genügen, muss überprüft werden. Erste Erfahrungen aus Stützpunktversuchen liegen in Baden-Württemberg vor.
Unter dem Aspekt einer geschlossenen Rettungskette, deren unabdingbarer Bestandteil die Sofortmaßnahme durch den Kollegen ist, dürfen die vorgestellten funktechnischen Systeme jedoch nicht dazu ver-wendet werden, Argumente für die Alleinarbeit bei gefährlichen Tätigkeiten zu liefern.
Funktechnik ersetzt nicht die Organisationsverantwortung der Vorgesetzten, sie kann aber ein weiteres Hilfsmittel zur besseren Bewältigung dieser Aufgabe darstellen.
Bei annähernd gleichen Kosten von ca. € 750.- pro Waldarbeiter war es für die Mitglieder der Arbeitsgruppe wenig überraschend, dass sämtliche Waldarbeiter das Sprechfunkgerät (Typ B) vor dem Notrufgerät mit Signalgeber (Typ A) bevorzugten. Die Möglichkeit miteinander zu kommunizieren erleichtert die Koordination von Arbeiten in unübersichtlichen Beständen, beim Sperren von Waldwegen und bei der Zusammenarbeit mit Maschinenführern. Insgesamt war ein positiver Effekt im Hinblick auf die Arbeitssicherheit festzustellen. Außerdem gewährleistet der tägliche Gebrauch, dass die Geräte (Akkus) gewartet werden und im Notfall funktionsfähig sind.
Bareither + Raisch
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